Alles hängt am seidenen Faden

Seit heute haben wir es nun auch „amtlich“: Der Herbst ist da. Wohl keiner hat an der kalendarisch-astronomischen Berechnung Zweifel, aber auch die andere Seite, die meteorologische, stimmte absolut: Wir hatten einen richtigen Herbsttag, mit kühlem, teilweise sonnigem und zunehmend windigem Wetter.

Das wollte ich am Morgen mit der Kamera ganz nah, versteht sich, erleben. Ich erwischte bodennahe Malvenblüten, Gräser und Blätter im Morgentau, Beeren der Berberitze („Sauerdorn“) in strahlenden Herbstfarben, vereinzelte Insekten, die sich von der Kühle nicht abschrecken ließen…

Und bei alledem waren die vielen Fäden nicht zu übersehen, die unzählige Spinnen zwischen den Pflanzen gezogen hatten – der sog. Altweibersommer ist da. Obwohl bisher noch nicht so ausgeprägt wie in früheren Jahren, macht auch der diesjährige „Altweibersommer“ wie zu keiner anderen Jahreszeit einen Grundzug der gesamten Natur deutlich: die Empfindlichkeit und Störanfälligkeit des Naturgeschehens, die Zerbrechlichkeit vieler Erscheinungen und Zusammenhänge – alles hängt „am seidenen Faden“!

Dabei ist diese Redewendung uralt. Sie soll der Legende nach sogar auf die Antike zurückgehen, als im sizilianischen Syrakus der Höfling Damokles von seinem Chef, dem Tyrannen Dionysios I. (430-367 v. Z.), auf eine grausame Probe gestellt worden sei. Damokles hatte die Herrschaft des Tyrannen als großes Glück gepriesen. Daraufhin habe ihm der Gebieter auf drastische Weise vorgeführt, wie gefährlich auch das Leben eines Tyrannen sei: Er ließ angeblich über Damokles an der opulenten Speisetafel des Herrschers „ein scharf geschliffenes Schwert“ an einem „Pferdehaar“, das an der Decke befestigt war, aufhängen. So habe der Günstling „unter dem Damoklesschwert“ begriffen, wie bedroht „das Glück“ ständig sei…

Aus dem Rosshaar wurde irgendwann ein „seidener Faden“. Heute steht die Redewendung vom „seidenen Faden“ allgemein für drohende Gefahr(en). Sie wird gerne auf unsere bedrohte Welt, unser gesellschaftliches Leben voller Gefahren, vor allem aber auf die bedrohte Natur und unseren ramponierten Planeten bezogen. Für mich haben daher die folgenden Fotos etwas Symbolhaftes: Wie fragil und störanfällig ist doch heute unser Leben und alles, was uns rings umgibt! Übrigens: In einem Tim-Bendzko-Song heißt es:

„Und jeder Atemzug, hängt am seidenen Faden, solang bis wir da sind…“

 

Über Herbert Schwenk

Jahrgang 1937; ehemaliger Lehrer und Gesellschaftswissenschaftler der DDR; heute Rentner
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