„Entfesselt ist die urgewalt’ge Kraft“

Ostern am Weißen See. Das Wetter ist besser als vorhergesagt, zwar sehr kühl, aber reichlich Sonnenschein. Viele Leute machen ihren Osterspaziergang, und fast alle legen einen Stopp am Schwanennest ein. Mancher lugt auch durch das Geäst hinüber zum Nest der Haubentaucher unweit des Domizils der Schwäne, das durch die überdimensionierte Schilfversorgung leider etwas unförmig, fast künstlich geraten ist. Aber das ist schnell vergessen, wenn man sich die Zeit nimmt, das Geschehen um das Schwanenpärchen und Haubentaucherpärchen etwas näher zu beobachten. Ich tat das an beiden Osterfeiertagen und erlebte mit meiner Kamera bei den Schwänen und Haubentauchern „nebenan“ ein „inniges Erneuen“ (Emanuel Geibel, Ostermorgen) der Natur ersten Ranges. Da kann man verstehen, warum Theodor Storm in seinem Ostergedicht am Schluss schreibt:

Entfesselt ist die urgewalt’ge Kraft, / die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen,/

und alles treibt, und alles webt und schafft, / des Lebens vollste Pulse hör ich klopfen.

Während sich das „alles treibt, und alles webt und schafft“ beim Haubentaucherpärchen bereits im intensiven Brutprozeß zeigt (dazu anschließend), scheint unser Schwanenpärchen noch weiter am Familienzuwachs zu basteln. Ostersonntag konnte man im Nest bereits sechs Eier erkennen. Aber die Schwäne haben das Dauerbrüten noch nicht begonnen. Stattdessen konnte meine Kamera eine weitere Paarung einfangen, so dass sich vermutlich das Gelege bald noch vergrößern wird…

Von den Schwänen nun einen Katzensprung hinüber zu den Haubentauchern, die immerhin 2001 in Deutschland „Vogel des Jahres“ waren und von denen es hierzulande inzwischen um die 20 000 Paare geben soll. Die Zoologen bezeichnen die Haubentaucher als Podiceps cristatus. In diesen Apriltagen spürt man gerade bei ihnen die „urgewalt’ge Kraft“ (Th. Storm) der Natur, die nach „innigem Erneuen“ (E. Geibel) drängt. Still und leise, völlig unspektakulär und dennoch mit ihren langen, teilweise weißen Hälsen, mit dem weißen Unterbauch und dem rotbraun-grauen Körper und vor allem mit ihren dunklen, in der Balz und im Sommer häufig gespreizten Federhauben sind sie einfach schick und bildschön. Und in dieser Schönheit nehmen sich Männchen und Weibchen nichts – sie sehen gleich aus! Es ist fast anrührend, mit welcher Intensität und Regelmäßigkeit beide gegenwärtig den Brutprozeß vollziehen: Beide Partner wechseln sich laufend beim Brüten des 4-Eier-Geleges ab. Zwar konnte auch meine Kamera keinen äußerlichen Wer-ist-Wer-Unterschied ausmachen, aber immerhin einen „Schichtwechsel“ beim Brutgeschäft festhalten…

Nachtrag vier Tage später, 13. April 2012:

Alles deutet darauf hin, dass auch in diesem Jahr die Schwäne am Weißen See ihrem Ruf als gebärfreudiges Paar gerecht werden: Mit Stand heute am frühen Abend, gegen 17 Uhr, war das Gelege auf 8 Eier angewachsen. Und das am Freitag, dem 13.!

 

 

Über Herbert Schwenk

Jahrgang 1937; ehemaliger Lehrer und Gesellschaftswissenschaftler der DDR; heute Rentner
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