Ein seltener Fund in Berlin

Nur einen Tag nach meinem gestrigen Besuch der „Herbstsinfonie“ wollte ich heute auch die ersten zarten Eiskristalle nach dem ersten herbstlichen Bodenfrost mit der Kamera „ganz nah“ einfangen …

Aber schon nach wenigen Schritten bemerkte ich auf einer der größeren krautigen Grünflächen des Biotops Volkspark Prenzlauer Berg an einem der kleineren, heute Morgen aber auffallend hellen Spinnengespinsten eine braun-rötlich gefärbte Spinne. Ich hatte diese Spinnenart schon vor sechs Jahren im Kameravisier und seinerzeit als „Trochosa-Wolfspinne“ identifiziert. Das aber war falsch – wie ich seit heute weiß. Denn was ich da heute Morgen an den reifüberzogenen Gespinsten gesehen und später neu recherchiert hatte, war keine vermeintliche Trochosa-Wolfsspinne, sondern eine Ammen-Dornfingerspinne mit dem wissenschaftlichen Namen Cheiracanthium punctorium, manchmal kurz nur „Dornfinger“ genannt. Und es kam noch toller: Als ich mich näher an dem Ort umschaute, entdeckte ich auf einem Quadtat von etwa 5 mal 5 Meter gleich drei solcher Gespinste – und überall hatte das jeweilige Spinnenweibchen das Brutgespinst für Minuten verlassen, um sich in der Morgensonne zu wärmen und danach wieder durch die „Tür“ in den „Bau“ zu schlüpfen…

Dieser Fundort einer Ammen-Dornfingerspinne in unserem nahen Biotop ist einigermaßen aufregend. Immerhin soll es weltweit über 80 000 Spinnenarten geben, von denen erst 41 000 erforscht sind. Diese Spinnenart ist im Mittelmeerraum beheimatet und bei uns eingewandert. Noch 1984 gab es keine in Deutschland und erst in den 90er Jahren tauchte sie auch im südöstlichen Brandenburg einschließlich Berlin auf. Ihre Verbreitung nach Norden könnte ein weiteres Indiz für allgemeine Klimaerwärmung sein. Dass sie sich auch in unserem Biotop wohl fühlt, hängt – neben den vergangenen warmen Sommern – vor allem auch mit unserem ursprünglichen, weniger chemisierten und „beackerten“ Pflanzenwuchs zusammen. Denn die Dornfingerspinne braucht für den Gespinstbau harte Stängel, die sie mit ihren Fäden „zusammenbindet“, um dort ihren Eikokon mit mehreren Eiern abzulegen. Im Inneren des Kokons, der oben auf dem Foto deutlich erkennbar ist, bewacht das Spinnenweibchen wie eine „Amme“ intensiv das Gelege, bis die Jungspinnen noch im Spätherbst schlüpfen – danach stirbt das Weibchen den „Heldentod“. Und noch zwei Besonderheiten: Zum einen gehören die Ammen-Dornfingerspinnen zu den seltenen Spinnenarten, deren Biss für Menschen giftig ist und zum anderen können auch sie ein oder mehrere Beine „verlieren“: üblicherweise haben Spinnen 8 Beine, auf meinen Fotos ist im zweiten Teil auch eine „Dornfinger“ mit nur 7 Beinen zu erkennen. Und nun Bühne frei für den seltenen Fund in Berlin!

Über Herbert Schwenk

Jahrgang 1937; ehemaliger Lehrer und Gesellschaftswissenschaftler der DDR; heute Rentner
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